Der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Görlitz fand sich am Wochenende in Cottbus zu seiner 61. Versammlung seit der Gründung zusammen. Die Tagesordnung reichte von Informationen aus dem Bistum, bis hin zu Rückblicken auf den Pastoraltag in Görlitz, den Katholikentag in Stuttgart und die Bistumswallfahrt in Neuzelle, bis hin zu einem Ausblick auf den Katholikentag 2024 in Erfurt, der unter dem Motto „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ steht sowie Wahlen in verschiedene Gremien. Schwerpunktmäßig beschäftigte sich der Rat mit der Aufarbeitung und dem Umgang mit sexualisierter Gewalt.
Die Anwesenden wählten zunächst Prof. Ursula Anderer (Lehrstuhl für Biotechnologie der BTU Cottbus-Senftenberg (Standort Senftenberg)), Roswitha Schier (Abgeordnete des Brandenburgischen Landtags), Torsten Bognitz (Geschäftsführer der Caritas Oberlausitz e.V.) und Prof. Christian Hentschel (Lehrstuhl für Biotechnologie der BTU Cottbus-Senftenberg (Standort Cottbus)) für die nächsten vier Jahre als Persönlichkeiten in ihr Gremium. Rechtsanwältin Ute Mittermaier wurde für die nächsten fünf Jahre als Vertreterin des Diözesanrates in den Kirchensteuerrat entsandt. Hartmut Schirmer, Vorsitzender des Diözesanrates, verabschiedete Gemeindereferentin Ingrid Schmidt als Geschäftsführerin des Gremiums. Den Präsentkorb hatten die Mitglieder liebevoll mit Gaben gefüllt, die an ihre jeweiligen Pfarreien oder Erlebnisse mit der geschätzten Geschäftsführerin erinnerten. Eine Nachfolge für Frau Schmidt stand noch nicht fest.
Kultur der Achtsamkeit
Der höchste Laienrat im Bistum informierte sich aus erster Hand über die Aufarbeitung und den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der eigenen Diözese. Der Vorstand hatte hierzu Herrn Andreas Oyen, Präventionsbeauftragter des Bistums Görlitz, Frau Kristin Wedekind, Mitglied der Interdiözesanen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs (IKA) der (Erz-)Bistümer Berlin, Dresden-Meißen, Görlitz und der Katholischen Militärseelsorge sowie Herrn Michael Köst, Mitglied des Betroffenenbeirates, eingeladen.
Der Präventionsbeauftragte erläutere das juristische Neuland, das man mit Präventions- und Schutzmaßnahmen betrat, und die Vorreiterrolle, die die katholische Kirche im gesellschaftlichen Leben im Bereich Missbrauchsgeschehen und Aufarbeitung einnehme. Er berichtete von drei aktenkundigen Fällen, einer läge 45 Jahre zurück. Die mutmaßlichen Täter seien verstorben. Den drei Betroffenen habe die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen jeweils fünfstellige Zahlungen bewilligt. In einem aktuellen Fall befinde sich ein junger Erwachsener, der Diskretion wünsche, in Therapie. Der Jurist erläuterte, wie schwer es den Betroffenen und deren Familien falle ihren Leidensweg zu schildern.
Frau Kristin Wedekind forderte eine wertschätzende Kommunikation und mahnte zum Einnehmen einer Haltung des guten Grundes für eigene Empfindungen, dazu, Betroffene nicht als Nestbeschmutzer zu sehen und eine sog. Betroffenensprache zu tolerieren. Sie betonte das Recht der Betroffenen auf Aufarbeitung einerseits und die Verantwortung und Achtsamkeit der Kirchenmitglieder andererseits, denn sexualisierte Gewalt finde auch heute und nicht unsichtbar statt. Missbrauchsvorwürfe riefen Emotionen hervor und müssten auch vor Ort sachlich aufgearbeitet werden. Die Kirche stehe vor einer großen Herausforderung, gemessen an ihrem Anspruch am Reich Gottes mitzuwirken. Strukturen müssten geschaffen werden, die die Betroffenen ernst nehmen und einer Kultur der Angst entgegenarbeiten.
Michael Köst als Vertreter des Betroffenenbeirates schloss sich dem an. Beteiligung und Mitbestimmung ließen sich nur im dialogischen Miteinander auf gleicher Augenhöhe einlösen. Der Beirat müsse seinen Beitrag als Expertengremium im Umgang mit sexualisierter Gewalt weiterentwickeln und als Impulsgeber in geplante Maßnahmen und Konzepte eingebunden werden. Das setze voraus, dass alle Informationen bereitgestellt werden und der Betroffenenbeirat am Verfahren beteiligt werde. Er stehe im Übrigen Gemeinden mit einer sog. Blinkwinkelarbeit zur Verfügung, die vor Ort Geschehnisse achtsam mit Augenmaß aufarbeitet.
Die Teilnehmer diskutierten intensiv, teils kontrovers, aber jederzeit respektvoll und konstruktiv. Sie waren sich einig, dass das Thema Prävention in den Gemeinden und Einrichtungen ernst genommen werden muss. Hilfen, wie die Institutionellen Schutzkonzepte, Schulungen und ein verantwortungsvoller, offener Blick müssen selbstverständlich werden. Kirche müsse so wieder positiv wahrgenommen werden.
Text und Fotos: Ute Mittermaier