13. Oktober 2016

„Uns verbindet die Sorge um Europa“ – Bischöfe der Kirchenprovinz Berlin besuchen Breslau

Die katholischen Kirchenprovinzen von Berlin und Breslau (Wroclaw) wollen stärker zusammenarbeiten. Bei einem Spitzengespräch der Bischöfe und Generalvikare der Berliner Kirchenprovinz mit dem Breslauer Erzbischof Jozef Kupny vereinbarten beide Seiten, für engere nachbarschaftliche Beziehungen der beiden Regionen einzutreten. An dem Besuchstermin am Montag, 10. Oktober, in Breslau nahmen neben Erzbischof Heiner Koch (Berlin) und den Bischöfen Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) und Wolfgang Ipolt (Görlitz) auch Weihbischof Matthias Heinrich (Berlin), Bischof emeritus Joachim Reinelt (Dresden) sowie die Generalvikare der drei (Erz-)Bistümer Tobias Przytarski (Berlin), Andreas Kutschke (Dresden) und Alfred Hoffmann (Görlitz) teil.

Breslau/Wroclaw (Polen), 11.10.2016: Der Breslauer Erzbischof Jozef Kupny schmunzelt: „Das Erzbistum Berlin und das Bistum Görlitz sind ja gewissermaßen Töchter Breslaus – die Bischöfe sind heute quasi bei ihrer Mutter.“ Der katholische Oberhirte im heute polnischen Wroclaw spielt darauf an, dass die Wurzeln der beiden deutschen Diözesen im früheren Erzbistum Breslau liegen. Bis 1972 gehörten sie ihm auch kirchenrechtlich an, bevor es nach den deutschen Ostverträgen zu einer Neuordnung kam. Am Montag haben sich nun erstmals die Bischöfe und Generalvikare des Erzbistums Berlin sowie der Bistümer Dresden-Meißen und Görlitz als Vertreter der Berliner Kirchenprovinz gemeinsam auf den Weg nach Breslau gemacht. Die drei Bistümer der Kirchenprovinz Berlin grenzen an die Kirchenprovinz Breslau, zu der auch die Bistümer Liegnitz (Legnica) und Schweidnitz (Swidnica) gehören. Das 1930 gegründete damalige Bistum Berlin und das 1994 errichtete Bistum Görlitz gingen aus dem früheren Erzbistum Breslau hervor und waren bis 1972 kirchenrechtlich mit ihm verbunden.

Nicht nur um sich der gemeinsamen Wurzeln zu vergewissern, diente der Besuch, sondern vor allem auch, um künftige Möglichkeiten nachbarschaftlicher Kooperation auszuloten. Kupny ist optimistisch, als er nach einer gemeinsamen Messfeier im Dom die Delegation aus dem Nachbarland empfängt: „Zwischen Breslau und Berlin gibt es schon gute Brücken, auf die wir aufbauen können.“ Berlins Erzbischof Koch sekundiert: „Gerade das polnisch-deutsche Verhältnis ist nicht aus wirtschaftlich-politischen Gründen gewachsen, sondern es wächst über die Kultur und die Religion.“

Gemeinsame Verantwortung für Europa

Beide Erzbischöfe sind sich einig, dass gerade die Kirchen helfen können, in der angespannten politischen Situation zwischen Deutschen und Polen zu vermitteln. Koch betont: „Uns verbindet die Sorge um Europa. Und wir tragen da eine besondere Verantwortung und sollten als Kirchen auch gezielt Zeichen des konstruktiven Miteinanders setzen.“ Und Kupny ergänzt: „Wenn man persönlich miteinander spricht, gerade auch bei weniger offiziellen Treffen, dann kann man besser Argumente austauschen und lernt den anderen besser zu verstehen.“

Insofern ist der Austausch zwischen den Bistumsleitungen mehr als nur heiterer Plausch, auch wenn es keine konkreten Beschlüsse gibt. Dennoch: die Verbindungen zwischen den Nachbarregionen in Deutschland und Polen zu stärken, ist eine bleibende Aufgabe und Herausforderung für die Zukunft, betont Bischof Heinrich Timmerevers. Als Bischof des Bistums Dresden-Meißen ist ihm bewusst, dass die Kontakte zu den polnischen wie auch zu den tschechischen Nachbarn gepflegt und gelebt werden müssen. Der Görlitzer Generalvikar Alfred Hoffmann berichtet, dass es in Görlitz einen anhaltenden Zuzug von Polen gibt. Etwa 2.000 leben inzwischen in der Grenzstadt: „Es sind vor allem junge Familien, die sich auch gut in die Gemeinden integrieren.“ Viele der neuen Görlitzer werden Messdiener. „In Polen ist es noch nicht so selbstverständlich, dass auch Mädchen ministrieren dürfen, und sie sind ganz stolz, dass sie das bei uns dürfen.“

Als Herausforderung sieht es der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt dennoch, dass die Polen in den deutschen Gemeinden heimisch werden: „Da treffen unterschiedliche Mentalitäten und Glaubenserfahrungen aufeinander.“ Während die Deutschen eher rational seien, „glauben die Polen mehr mit dem Herzen“. Das sei nicht immer einfach, könne aber für beide Seiten „sehr bereichernd sein“, so Ipolt. „In den polnischen Familien ist der Glauben in den Familien stärker beheimatet – das können wir in der Diaspora gut gebrauchen.“

Gute Kontakte über Grenzen hinweg

Das Bistum Dresden-Meißen hingegen hat nur ein kleines gemeinsames Stück Grenze mit Polen, der Zuzug ist nicht so stark spürbar. „Aber es gibt etwa in Dresden und Leipzig sehr lebendige katholische polnische Gemeinden“, berichtet Generalvikar Andreas Kutschke. Auch gebe es immer wieder Kooperationen mit dem Priesterseminar im oberschlesischen Oppeln: Seminaristen von dort schließen ihre Priesterausbildung im Bistum Dresden-Meißen ab und sind hier jetzt als Geistliche in den Gemeinden.

Im deutsch-polnischen Miteinander ist in den vergangenen Jahrzehnten viel Positives gewachsen, erinnert sich der Dresdner Bischof emeritus Joachim Reinelt, der in Schlesien zur Welt kam. „Nach dem Krieg gab es lange große Vorbehalte gegenüber den Deutschen“, so der 79-Jährige. „Aber auf der Kirchenebene war es genau das Gegenteil, da gab es immer einen großen Zusammenhalt.“

Nicht nur Polen kommen nach Deutschland, es ist auch umgekehrt. Pater Marian Arndt leitet die deutschsprachige katholische Gemeinde in Breslau: „Das sind in erster Linie die vor 1945 in Schlesien geborene Deutschen, die hier geblieben sind – und inzwischen natürlich relativ alt sind.“ Aber dass seine Gemeinde ausstirbt, denkt er nicht: „Das vereinigte Europa ist eine Zukunft für die deutsche katholische Gemeinde.“ So gibt es immer häufiger zweisprachige Trauungen.

Besuch im Breslauer Verbindungsbüro und beim Stadtpräsidenten

Zum weiteren Besuchsprogramm, das Christoph Pötzsch, Leiter des Katholischen Büros Sachsen, in Kooperation mit Andreas Grapatin vom Verbindungsbüro des Freistaats Sachsen in Breslau organisiert hatte, gehörte auch ein Stadtrundgang und eine Begegnung mit Rafał Franciszek Dutkiewicz, dem Stadtpräsidenten von Breslau. In der Funktion eines Oberbürgermeisters trägt Dutkiewicz Verantwortung für die rund 650.000 Einwohner zählende schlesische Metropole. „Ich träume von einer internationalen Stadt“, so signalisierte das Stadtoberhaupt ebenfalls Interesse an grenzüberschreitenden Kontakten. Neben dem spanischen San Sebastian trägt Breslau 2016 den Titel Kulturhauptstadt Europas.

Text: Karin Wollschläger (KNA) / MB

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Bischof Wolfgang und Generalvikar Dr. Hoffmann am Grabstein von Kardinal Bertram

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