19. Januar 2016

„Orte und Worte“: Beim 150. Jubiläum der Marien-Erscheinung in Filipóv, in Tschechien, predigt Bischof Wolfgang Ipolt und spricht zur Ackermann-Gemeinde

Fahrzeug-Scheinwerfer tasten sich durch die Nacht vom 12. zum 13. Januar. Das Ziel, das in Navigationsgeräten in Görlitz, Luckau und anderswo eingegeben wird, heißt: Filipóv in Tschechien. Genau vor 150 Jahren wurde an diesem Ort, dem damaligen Philippsdorf, am 13. Januar 1866, Magdalena Kaden, eine kranke junge Frau geheilt, als ihr die Mutter Gottes erschien. Seitdem versammeln sich Jahr für Jahr an diesem Ort, an diesem Tag und immer zur gleichen Stunde, morgens um vier Uhr, gläubige Menschen zur Heiligen Messe.

Angekommen, hebt sich die erleuchtete Basilika der „Hilfreichen Jungfrau Maria“ und besonders die helle, angestrahlte Marienstatue auf tief-blauem Hintergrund an der Fassade des Gotteshauses vom Dunkel der Umgebung ab. Sie weist auf das Ereignis hin, verdeutlicht, warum so viele Menschen zu dieser ungewöhnlichen Zeit zum Gotteshaus strömen. In diesem, dem Jubiläums-Jahr feiern Bischof Jan Baxant, Bischof des Bistums Litoměřice/Leitmeritz, in Tschechien, gemeinsam mit Bischof Wolfgang Ipolt aus diesem Anlass die Eucharistie. Mit dabei sind acht Gemeindemitglieder aus der Pfarrei Luckau mit ihrem Pfarrer Bronislaw Marecik. Bischof Ipolt spricht in seiner Predigt von Orten und Worten, die man nicht vergisst: „So ist es auch mit diesem Ereignis. Die Erscheinung war zunächst ein Gnadengeschenk Gottes für einen Menschen – aber viele nehmen seitdem durch die Wallfahrt daran Anteil, weil sie im Glauben entdecken: Dass Maria die junge Frau heilt, ist ein Zeichen für uns alle: Gott, Maria und die Heiligen sind uns nicht fern! Sie bleiben uns nahe. Sie können auch in unser irdisches Leben einbrechen (damit sollten wir zumindest rechnen…!), sie können uns etwas zeigen oder uns auf etwas hinweisen. Gott ist ein naher Gott.“, sagte der Bischof. Die Predigt im vollen Wortlaut ist hier.

Die Ansprache von Bischof Jan Baxant steht derzeit nur auf Tschechisch zur Verfügung. Darin weist er darauf hin, dass die „Pilgerfahrt nach Filipova“, zumal zu dieser frühen Tageszeit, oft eine Herausforderung sei, aber: Wir können hier zu mehr Nähe zu Gott kommen. Vom Gottesdienst gibt es diesen Film-Beitrag.

Von dem Ereignis vor 150 Jahren ist folgendes überliefert: Magdalena Kade lebte von 1835 bis 1905 war eine Hausweberin und wurde als „böhmische Bernadette“ berühmt. Im Jahre 1866 soll ihr am Krankenbett die Gottesmutter Maria erschienen sein, was zu einer spontanen Heilung langjähriger Krankheiten geführt habe. Nachfolgend entstand in Philippsdorf ein Wallfahrtsort.

Magdalena Kade lebte als Hausweberin mit ihrer Familie in bescheidenen Lebensumständen in einem Holzhaus mit zwei Webstühlen und einigen Feldern in dem Dorf Philippsdorf bei Rumburg in Nordböhmen. Mit 13 Jahren verlor sie den Vater und wurde mit 19 Jahren aus unbekannten Gründen krank. Sie litt an Krämpfen, Bewusstlosigkeit, Entzündungen und Geschwüren. Im Jahre 1861 starb ihre Mutter. Nach weiteren drei Jahren im Haus des Bruders Josef Kade und seiner Familie nahm sie Veronika Kindermann, eine Verwandte des Pfarrers Karl Kindermann, später Ehrendomherr bei Sankt Stephan in Leitmeritz aus Barmherzigkeit bei sich auf. Am 15. Dezember 1865 holte sie ihr Bruder wieder nach dem Haus Philippsdorf Nummer. 63 zurück, da Magdalenas Tod bevorzustehen schien. Kaplan Franz Storch, dessen Tatkraft später für die Entwicklung des Wallfahrtsortes Philippsdorf und den Bau der Basilika der Hilfreichen Jungfrau Maria entscheidend war, spendete ihr die Krankensalbung. Veronika Kindermann hatte die Kranke begleitet und blieb bei Magdalena Kade. Am 13. Januar 1866 um 4 Uhr früh soll der Raum, in welchem die sterbenskranke, betende 31-jährige Magdalena Kade lag, plötzlich leuchtend hell geworden sein und eine Lichtgestalt: Maria, als Königin des Himmels, soll zu ihr die Worte gesagt haben: „Mein Kind, von jetzt an heilt’s“. Die Kranke soll danach in freudiger Erregung aufgestanden sein, mit kräftiger Stimme nach den Angehörigen gerufen und einen Verband von ihrem Körper entfernt haben. Sie fühlte sich von ihren Beschwerden geheilt und übernahm wieder Arbeiten im Haushalt des Bruders.

Nach der Eucharistiefeier in der Basilika ist Bischof Ipolt zu einem Festakt der Ackermann-Gemeinde, anlässlich des 70. Jahrestag ihrer Gründung und zu einem Grußwort nach Rumburk eingeladen. Die Ackermann-Gemeinde entstand 1946 aus einem Kreis sudetendeutscher Katholiken, die ihre Herkunft aus Böhmen und Mähren-Schlesien als Verpflichtung für ihr Wirken in Kirche, Volk und Staat und Gesellschaft empfanden. Sie versteht sich als eine katholische Gemeinschaft mit besonderem Engagement für die deutsch-tschechische Nachbarschaft in der Mitte Europas.

Bischof Ipolt sagte in seinem Grußwort unter anderem: „Wir dürfen heute im Jahre 2016 den Gründern der Ackermann-Gemeinde sehr dankbar sein, dass sie dieses Versöhnungswerk in Gang gesetzt haben. Es war aus damaliger Sicht ein wahrhaft prophetischer Schritt, der sich jetzt über sieben Jahrzehnte bewährt hat. Sie sorgen dafür, dass die Beziehungen zwischen dem tschechischen Volk und dem deutschen Volk weiter vertieft werden – in kultureller und auch in religiöser Hinsicht. Sie arbeiten mit an einer guten historischen Aufarbeitung der unseligen Folgen des Zweiten Weltkrieges. Wir Ostdeutschen (zu denen ich auch gehöre) haben während der kommunistischen Zeit wenig gewusst über Ihre Arbeit. Wahrscheinlich war das in der damaligen Tschechoslowakei ähnlich. Heute weiß ich, dass die Ackermann-Gemeinde kein „Verein selbstverliebter Betriebsamkeit ist“, wie man auf Ihrer Internetseite lesen kann, sondern ein Raum sein will für Menschen aus Mittel- und Osteuropa, die aus dem Geist des Evangeliums aufeinander zugehen wollen“, so der Bischof. Die Ansprache im Wortlaut ist hier.

Die Ackermann-Gemeinde ist offen für alle, die sich ihre Ziele zu eigen machen und das Leben dieser Gemeinschaft verantwortlich mitgestalten wollen. Ihren Namen entlehnt die Ackermann-Gemeinde der ersten neuhochdeutschen Dichtung, dem Ackermann aus Böhmen des Johannes von Saaz in Böhmen. Diese bedeutende Prosa-Dichtung aus dem Jahre 1400 ist ein Dokument für die Jahrhunderte alte Verwurzelung und schöpferische Kraft der deutschen Kultur in den böhmischen Ländern und ein Sinnbild für eine Lebensgestaltung aus christlichem Glauben und Hoffen.

Die Fotos auf dieser Seite, sowie in den verlinkten Seiten in diesem Beitrag, sind, mit freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung, von Rafael Ledschbor. Der Bildautor ist Redakteur der sorbischen Zeitung Katolski Posoł.

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