„Mein Tod gehört mir, sagte Anfang Oktober Udo Reiter, der ehemalige Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, in einer Talk-Runde. Ende Oktober hat er sich das Leben genommen“, mit diesen Worten begann der Vorsitzende des Kuratoriums des Christlichen Hospizdienstes Görlitz, Rudolf Hupe, seine Begrüßung an die etwa 250 Teilnehmer des siebenten Ostsächsischen Hospiz- und Palliativtages am 14. November im Görlitzer Wichernhaus.
Diskussion im Bundestag ist ein „ermutigendes Zeichen“
Hupe, der viele Jahre Caritasdirektor des Bistums Görlitz war, ging auf die in Deutschland kontrovers diskutierte Debatte zur Sterbehilfe ein, die im Deutschen Bundestag am Vortag dieser Tagung stattfand. Hupe sagte weiter: „Eine gesetzliche Regelung für die organisierte Beihilfe zum Suizid soll gefunden werden. Aber ist dies tatsächlich das Wichtigste für unser Land? Oder sollten wir uns vielmehr darüber Gedanken machen, wie wir den kranken, auf den Tod zugehenden Menschen mehr Zuwendung und Unterstützung schenken können? Dieser komplexen Problematik sollte die Politik verstärkt ihre Aufmerksamkeit widmen.“ Er sieht die Diskussion im Bundestag als „ermutigendes Zeichen“. Wichtiger als „assistierter Suizid ist demnach, die Palliativmedizin und die Sterbebegleitung der Hospize zu unterstützen“. Hupe hofft, dass „unsere heutige Tagung dazu einen Beitrag leistet“. Bevor er den Hauptreferenten, Dr. Jürgen Grohe begrüßte, sprach der Sozialplaner des Landkreises Görlitz, Matthias Weber, im Auftrag von Landrat Bernd Lange und Sozialdezernentin Martina Weber ein Grußwort. Darin berichtete er unter anderem von einer alten Frau, die in einer Veranstaltung über Altenpflege anmahnte: „Wir müssen auch über das Sterben reden“. Weber wünscht, „die Diskussion über das Thema sollte nicht abflachen“ und hält die „Zusammenarbeit mit den Kirchen für sehr wichtig“.
Dr. Jürgen Grohe, Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, Berlin, war kurzfristig für den erkrankten Prof. Dr. Reimer Gronemeyer eingesprungen. An den Anfang seines Vortrags stellte er den Satz von Albert Schweitzer „Was will der Mensch? Leben will der Mensch“. Über die Aussage von Descartes „Ich denke, also bin ich!“ und die Thesen „Ich arbeite, kaufe, bin nützlich… also bin ich“, kam der Referent zu einem Satz von Victor E. Frankl: „Der Sinn ist mit dem Leben gegeben. Man kann Menschen alles nehmen, aber nicht die Freiheit, sich so oder so einzustellen“. Grohe sagte, auch hinsichtlich der Debatten um Selbsttötungen: „Den Tod mehr lieben als das Leben, und deshalb den assistierten Suizid rechtlich ermöglichen wollen, ist ein Misstrauensvotum gegen die Sorgekultur und Sorgefähigkeit unserer Gesellschaft.“ Stattdessen sollte es in der Gesellschaft mehr Achtung und Respekt für den letzten Lebensabschnitt geben.
Wunsch des Fischers Frau: sie will Gott sein
Den vier Musikern des „Intermezzo Ensemble“ dankte Felicitas Baensch, Koordinatorin beim Christlichen Hospizdienst Görlitz, mit den Worten: „Wir haben eine Klarinette bestellt und ein wunderbares Quartett erhalten.“ Danach gingen die Teilnehmer zu den Orten der acht Workshops, die sich im Bereich der Görlitzer Innenstadt befanden. Neben einer Podiumsdiskussion zum Motto „Ethische Fragen am Lebensende“ standen weitere unter Themen wie diesen: „Wertvolle Unterstützung oder zusätzlicher Stressfaktor?“; „Wenn Kinder nach dem Tod fragen“; „Trauerkarten – Worte finden“: Nicht Floskeln sollte man schreiben, sondern das eigene Empfinden ausdrücken. Andrea Pollack, die vom Ambulanten Hospiz in Zittau entsandt wurde, besuchte den „Workshop 7“. Er stand unter dem Thema: „Was ist am Ende von Bedeutung?“ Hierbei wurde beispielsweise die Diskrepanz der unterschiedlichen Wünsche, einerseits von Patienten, die in der vertrauten Umgebung bleiben und sterben wollen, sowie von Angehörigen, die wünschen, dass medizinisch alles getan wird, deutlich. „Angehörige können nicht aushalten, wenn man nichts mehr machen kann“, sagt Andrea Pollack. Als Fazit des Tages hat die Krankenschwester mitgenommen: „Jeder stirbt seinen eigenen Tod, möglichst, wie er sich das wünscht“.
„Vom Fischer und seiner Frau“ – Puppenspielerin Anne Swoboda inszenierte zum Abschluss der Veranstaltung „LebensWert“ das Märchen. Als der Fischer sich im Sturm des brausenden Meeres mit dem letzten Wunsch seiner Frau, sie will Gott sein, kaum noch verständlich machen kann, sitzt sie wieder in ihrer alten Hütte – sie hat den Bogen überspannt. „Man kann nicht alles fordern. Der Mensch fordert ständig, kann aber nie alles erreichen“, sagt Rudolf Hupe nach dem Stück. Dass der Saal beim Theaterstück am Abend noch ebenso voll war wie am Anfang und dass statt der anfangs geplanten 120 bis 160 Teilnehmer bis zu 270 anwesend waren, wertet er als ein „Zeichen, dass das Interesse an der Hospiz- und Palliativarbeit sehr hoch ist“.
Dieser Beitrag erschien in der katholischen Wochenzeitung TAG DES HERRN, in der aktuellen Ausgabe zum 23. November, und ist in diesem Fall auch online zu lesen. Wer mehr erfahren möchte über Kirche in den Bistümern Görlitz, Dresden-Meißen, Erfurt, Magdeburg und neu im Erzbistum Berlin, sowie darüber hinaus über die Weltkirche: es gibt derzeit gute Angebote für TAG DES HERRN- Probe-Abos.
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