Görlitz. Bischof Wolfgang Ipolt hat am Fest der heiligen Hedwig (16. Oktober) die Öffentlichkeit der Stadt Görlitz zu einem Empfang eingeladen. „Die heilige Hedwig ist nicht nur die Patronin unseres Bistums. Sie ist – so steht es zumindest in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia – auch die Patronin von Görlitz. Deshalb möchte ich mit diesem Empfang die heilige Hedwig ins öffentliche Bewusstsein rücken“, sagte der Bischof. Und so gab es im Anschluss an den abendlichen Festgottesdienst in der Kathedrale zum Gedenken an die Heilige im Humboldthaus zum ersten Mal den Hedwigsempfang in dieser Art.
Im Mittelpunkt der Begegnung stand ein Vortrag der katholischen Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz zum Thema „Hedwig von Schlesien – Wegbereiterin des europäischen Gedankens“. Gerl-Falkovitz war von 1993 bis 2011 Inhaberin des Lehrstuhls für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaft an der Technischen Universität Dresden und leitet heute das Europäische Institut für Philosophie und Religion an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien. Sie stellte die heilige Hedwig als vorbildliche Herrscherfigur des Mittelalters vor. Durch Gerechtigkeit und Klugheit sei sie zu einer Landesmutter geworden, die auch heute noch – 800 Jahre später – in Schlesien verehrt werde. Dabei habe Hedwig die ihr zugedachte Rolle als Herrscherin so ausgefüllt, dass für alles Private in ihrem Leben kein Platz war. Sie habe sich als Repräsentanz und Werkzeug der göttlichen Allmacht verstanden. Ihre Aufgabe sah sie darin, das ganze Land in die Ordnung Christi zu führen. Demut war dabei nicht ihr Naturell, sondern Anlass für lebenslange Askese.
Gerl-Falkovitz verglich in ihrem Vortrag auch die heilige Hedwig mit ihrer ebenfalls heilig gesprochenen Nichte Elisabeth von Thüringen. „Zwei ganz verschiedene Frauengestalten, die für zwei Arten stehen, wie man christliche Caritas üben kann.“ Elisabeth habe sich in ihrem kurzen Leben „verbrannt“ und alles, was sie besaß, für die Armen gegeben. Hedwig habe ihren Besitz „sehr klug und überlegt“ verwaltet und diesen für ihre Sorge für das ganze Volk eingesetzt: „gerecht, klug und – heute würde man sagen – nachhaltig“.
Mit Blick auf die europäische Dimension der heiligen Hedwig verwies Gerl-Falkovitz vor allem auf deren Verwurzelung in der jüdisch-christlichen Tradition. Hedwigs Zuwendung zum Menschen habe eine religiöse Grundlegung, die das heutige Europa so nicht mehr festschreiben will, sagte die Referentin mit Blick auf die Diskussion um einen Gottesbezug in der Europäischen Verfassung. Die Aufklärung habe dem Humanismus die Wurzel abgeschlagen, aber „solange die Menschenfreundlichkeit nicht in der Gottgestaltigkeit des Menschen begründet ist, fehlt dieser Humanität die letzte Wurzel“.
Im Anschluss an den Vortrag, hier im vollen Wortlaut, gab es die Möglichkeit zur Diskussion mit der Referentin.
Danach wurde der Austausch in lockerer Runde fortgesetzt – bei einem Glas Sekt und Brezeln. Bischof Ipolt zeigte sich erfreut, dass neben katholischen Christen aus der Stadt auch andere Bürger den Weg ins Humboldthaus gefunden hatten. Er dankte dem Direktor des Senckenberg Museum für Naturkunde, Willi Xylander, der dem Bistum den Raum für den Empfang zur Verfügung gestellt hatte. „Das Wirken der Hedwig von Schlesien war und ist eine öffentliche Angelegenheit. In ihrer Zeit war sie eine Art Sozialpolitikerin. In ihrem Leben, das sie für ihre Nächsten lebte, begegnete sie den Nöten der damaligen Zeit, so wie wir den heutigen Nöten begegnen sollen.“
Eine Frage blieb am Ende des Abends allerdings offen: Ob die heilige Hedwig auf ihrem Brautzug durch Görlitz gekommen ist, ist zwar sehr wahrscheinlich, aber nicht nachgewiesen.
Matthias Holluba
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