Maria ist ein Mensch wie jeder andere und wurde erlöst durch Jesus Christus. Sie wurde aber im Hinblick auf die Geburt Gottes schon im Voraus erlöst, denn für Gott ist alles möglich! Diese Glaubenswahrheit ist leider auch unter vielen Katholiken kaum bekannt, daher hier der Versuch einer Erklärung.
> Hintergrund zum Dogma von der Unbefleckten Empfängnis und der sogenannten Wundertätigen Medaille <
Großer und heiliger Gott,
im Hinblick auf den Erlösertod Christi
hast du die selige Jungfrau Maria
schon im ersten Augenblick ihres Daseins
vor jeder Sünde bewahrt,
um deinem Sohn eine würdige Wohnung zu bereiten.
Höre auf ihre Fürsprache:
Mache uns frei von Sünden
und erhalte uns in deiner Gnade,
damit wir mit reinem Herzen zu dir gelangen.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.
Pater Karl Wallner erklärt, dass bei der Unbefleckten Empfängnis und der Jungfrauengeburt zwei Glaubensgrundsätze unterschieden werden müssen: „Mariae Empfängnis“ wird am 8. Dezember, also genau 9 Monate vor dem 8. September (Fest Mariae Geburt) gefeiert. Wir feiern, dass Maria vom ersten Augenblick ihres Daseins an ohne Erbsünde also ohne jeglichen Makel empfangen worden ist. Und dies auf natürliche Weise durch Ihre Eltern. Wir feiern Maria als einen Menschen, der dem ursprünglichen Konzept Gottes entspricht. Als zweite Eva, die durch die Erlösungsgnade Christi schon von Anfang an ein vollendeter Mensch ist.
Die Jungfräulichkeit Mariens wiederum zeigt uns die Allmacht Gottes, die sich nicht aus biologischen Parametern ableitet, sondern durch sein direktes Eingreifen. Maria erwartet ein Kind nicht durch menschliches Handeln, sondern weil Gott gehandelt hat. Hier geht es um Christus: Er ist wahrer Mensch von einer Frau geboren und gleichzeitig durch die Vaterschaft Gottes auch wahrer Gott. Dies zu glauben ist nicht naiv, doch müssen wir uns von unseren biologischen Parametern trennen und anerkennen, dass es hier um die Wunderbarkeit Gottes selbst geht.
Die Liste von Prof. Dr. Pater Karl Wallners Tätigkeiten, Auszeichnungen, Publikationen und Erfahrungen ist lang. Als Nationaldirektor leitet er die Päpstlichen Missionswerke (Missio) in Österreich. Er bringt dabei seine reiche Erfahrung als Hochschulrektor, Fundraiser, beliebter Redner und missionarischer Motivator ein. Bekannt wurde der Zisterzienserpater aus dem Stift Heiligenkreuz im Wienerwald durch seine Vorträge, zahlreiche Bücher und sein Mitwirken an der international erfolgreichen CD „Chant – Music for Paradise“.
Der Kern des christlichen Glaubens besteht darin, das Christus uns durch seinen Tod erlöst hat. Seine Liebe bis ins Äusserste hat die Kraft die Lieblosigkeit aller Sünden, aller Menschen, aller Zeiten aufzuwiegen. Doch Erlösung bedeutet nicht nur unsere Rettung und die Öffnung des Himmels für eine Rückkehr zu Gott. Die Erlösung vollzieht sich als eine Neuschöpfung. In diesem Sinn spricht Paulus: „Wie es also durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt. Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.“ (Röm 5,18-19). Die Korintherbriefe nennen Christus ausdrücklich das Haupt einer neuen Schöpfung (2 Kor 5,17-18), sprechen von ihm als Adam und lebendig machendem Geist (1 Kor 15,45), benennen den himmlischen Ursprung dieses neuen Stammvaters (1 Kor 15,45). Die Vorstellung von Christus als neuer Adam, hat ihre Wurzeln jedoch schon im Alten Testament, in denen das messianische Reich einen neuen Himmel und eine neue Erde verheißt. Zwar leben wir, auch jetzt nach dem Kommen des Messias, hier noch in einer gewissen Vorläufigkeit, doch dieses Neue, diese Neuschöpfung, das neue Leben aus der Gnade hat bereits begonnen. Und das nicht zuletzt durch die Sakramente. Wir sehen es in der Taufe, deren Ritus ein Sterben – wir gehen im Wasser unter – und ein Auferstehen – wir tauchen aus dem Wasser auf – darstellt und im Inneren der Seele diese Neuschöpfung wahrhaftig bewirkt. Wir sollen als neue Menschen leben. Wir sind die Nachkommen eines neuen Adams An diesem Punkt stellt sich eine Frage. Wenn es einen neuen Adam gibt, gibt es dann auch eine neue Eva?
In ihrem Roman „Gottesdiener“ hat Petra Morsbach die Lebensgeschichte des Priesters Isidor Rattenhuber erzählt. Schelmisch, aber liebevoll schildert die Autorin dabei „die wirre Logik, die Isidor anwenden muss, um Lehren der Kirche zu verteidigen, an die er selbst nicht glaubt, wie etwa die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau“.Ist Isidor Rattenhuber im Hinblick darauf, dass er an zentrale Glaubensaussagen der Kirche nicht mehr glaubt, eine Ausnahmeerscheinung? Oder steht er als repräsentative Figur für viele andere in der Kirche? Ist es tatsächlich um die Dogmen der katholischen Kirche, speziell um die Mariendogmen, so bestellt, dass wir sie nur mit „wirrer Logik“ verteidigen können? Wäre das tatsächlich der Fall, dann müssten Theologen und andere Gläubige höchst alarmiert sein. Auch wenn die Lage diesbezüglich nicht so dramatisch ist, wie es Petra Morsbach suggeriert, scheint es doch notwendig zu sein, die Mariendogmen der Kirche in der Reflexion des Glaubens immer wieder neu zu thematisieren.
Leo Kardinal Scheffczyk weist mit Recht darauf hin, dass die Marienlehre primär als Entfaltung der Christuswahrheit anzusehen ist. Dies hat auch Karl Barth erkannt. Der protestantische Theologe kommt zu der Einsicht, dass „die katholische Mariologie untrennbar mit der gesamten übrigen katholischen Theologie zusammenhängt“ (Kirchliche Dogmatik).
Da das Verhältnis der Gottesmutter zum Christusgeheimnis von der Gnade Gottes und vom freien Willen des Menschen bestimmt war, leuchten an der Gestalt Marias auch andere wesentliche Glaubensgeheimnisse auf: das Geheimnis der Mitverantwortung des Menschen bei der Erlösung, das Geheimnis der in jungfräulicher Mütterlichkeit empfangenden Kirche, das Geheimnis der Erlösung und der Gnade, das Geheimnis der Vollendung, die auch das Leibliche umfasst. All diese Glaubenswahrheiten laufen in der Person Marias „wie in einer lebendigen Spitze“ (Katholische Glaubenswelt) zusammen.
In diesem Zusammenhang ist auch die kirchliche Dimension aller Mariengeheimnisse zu unterstreichen: Die „Unbefleckte Empfängnis“ der Gottesmutter ist ein Realbild der wesentlichen Heiligkeit der Kirche, die auch durch die Sündhaftigkeit ihrer Glieder nicht angetastet werden kann. Die Glaubenslehre von der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria ist „Ausdruck der Gewissheit des Glaubens, dass es die heilige Kirche wirklich gibt als Person und in Person. Sie ist in diesem Sinn Ausdruck für die Heilsgewissheit der Kirche“ (Joseph Ratzinger, Die Tochter Zion).
Angesichts der Erwählung Marias zur Gottesmutterschaft stellt sich die theologische Frage nach dem Anfang ihres Lebens. Die darauf antwortende Glaubenslehre, nämlich das Dogma von der Bewahrung Marias vor der Erbsünde vom ersten Augenblick ihres Daseins an ergibt sich aus einem theologischen Folgerungssinn im Glaubensbewusstsein der vom Heiligen Geist geleiteten Kirche im Sinne John Henry Newmans.
Es handelt sich dabei nicht um eine quantitative Vermehrung einzelner Glaubensinhalte, sondern um die ausdrückliche Erfassung der inneren Voraussetzungen der Tatsache der jungfräulichen Gottesmutterschaft. Maria konnte ihr freies Ja nur sprechen unter der Voraussetzung der ihr verheißenen Gnadenfülle (vgl. Lukas 1,28). Sie war in ihrer menschlichen Existenz von Anfang an von der Gnade Jesu Christi so umfasst, dass sie von der Erbsünde nicht befreit werden musste, sondern vor ihr bewahrt blieb. Dennoch ist es nicht die paradiesische Urstandsgnade, sondern die Erlösungsgnade Christi, die den Willen und das Handeln Marias trägt.
Zur biblischen Begründung des Dogmas von der Erbsündenfreiheit Marias können keine direkten Schriftzeugnisse angeführt werden. Es lassen sich nur Texte nennen, die diese verbindliche Glaubenslehre unentfaltet einschließen. Von Bedeutung sind dabei jene Zeugnisse, die alles Geschehen in der Welt im erwählenden Ratschluss Gottes verankert sehen, wie etwa die im Mutterleib anhebende Berufung der Propheten (Jeremia 1,5; Jesaja 49,1). Ähnliches gilt aus neutestamentlicher Sicht für die Kirche. Sie ist vor aller Zeit dazu bestimmt, im Wirkbereich Christi gerecht und heilig zu leben (Ephesus 1,3-14). Paulus spricht vom „Maß des Glaubens“ (Römer 12,3), das Gott jedem Menschen zugeteilt hat. Maria wurde von Gott zur Mutter des Erlösers erwählt. Nicht nur diese Berufung, sondern auch die Bereitschaft, ihr zu entsprechen, beruht auf einer von Gott geschenkten Gnade. Die Jungfrau bedarf der inneren Zurüstung, um die Messias-Mutterschaft glaubend annehmen und bestehen zu können.
Mit Bezug auf die Menschwerdung Christi begegnet sehr früh die Einsicht, dass die Mutter des Messias als Tempel Gottes geheiligt und von der Sünde gereinigt werden musste. So finden wir bei Irenäus von Lyon die Vorstellung, dass Maria bei der „Verkündigung des Herrn“ von der Sünde gereinigt wurde. Erwähnt sei auch Sophronius von Jerusalem, der im Osten einer der bedeutendsten Zeugen für die Entwicklung der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis ist. Als bedeutender Theologe des Westens, der die Sündenfreiheit Marias vertreten hat, ist Augustinus zu nennen. Er verweist um der Heiligkeit Christi willen auf die Heiligkeit seiner Mutter.
Treffender als Augustinus sieht Anselm von Canterbury den Kern des adamitischen Erbes in der fehlenden Urstandsgnade. Mit dieser differenzierteren Sicht lässt sich die Heiligung der Gottesmutter als eine ursprüngliche Begnadung begreifen. Wie die ursprüngliche Begnadung und Heiligung Marias mit ihrer grundsätzlichen Erlösungsbedürftigkeit zu verbinden sei, bildet die große Streitfrage der mittelalterlichen Theologie. Sie wurde von den Dominikanern, die besonders die Erlösungsbedürftigkeit Marias betonten, und den Franziskanern, die vor allem ihre ursprüngliche Heiligung herausstellten, intensiv erörtert. Thomas von Aquin geht in dieser theologischen Debatte davon aus, dass Maria vor ihrer Geburt im Schoß ihrer Mutter geheiligt wurde. Der Aquinate vermag diese Begnadung allerdings noch nicht mit dem Augenblick ihres Lebensbeginns – „ohne Erbsünde empfangen“ – zu verbinden und hält somit an einer zeitlichen Differenz zwischen Empfängnis und Heiligung fest.
Einen theologischen Erkenntnisfortschritt hinsichtlich der Frage nach der inneren Beziehung zwischen Erlösungsbedürftigkeit und Heiligung Marias erzielt der Franziskaner Duns Scotus. Wie für Thomas besteht auch für ihn das Wesen der Erbsünde im Fehlen der dem Menschen eigentlich geschuldeten Urstandsgnade. Aufgrund seines besonderen mariologischen Ansatzes gelangt Duns Scotus zu seiner Theorie von der vorausgreifenden Erlösung und Heiligung Marias. Die Erlösung Marias muss so der Franziskanertheologe nicht in dem Sinne gedacht werden, dass sie nachträglich von der Erbsünde gereinigt wurde. Erlösung kann im Falle der Gottesmutter auch als gnadenhafte Bewahrung vor der Adamssünde verstanden werden. Die der erlösungsbedürftigen Menschheit angehörende Mutter Jesu wurde so Duns Scotus um der Ehre ihres Sohnes willen durch sein Erlösungsverdienst vor dem zerstörerischen Einfluss der Erbsünde bewahrt und in die ursprüngliche Gottesgemeinschaft hinein empfangen. Erst nach längerer Zeit fand diese Sichtweise allgemeine Zustimmung.
Mit Blick auf die große Marianische Bewegung des 19. Jahrhunderts lässt Papst Pius IX. 1849 bezüglich der Erbsündenfreiheit der Gottesmutter eine Umfrage im Weltepiskopat durchführen. Von den 603 Bischöfen, die antworten, sprechen sich 546 für eine Dogmatisierung der Immaculata-Lehre aus. Bemerkenswert ist dabei die Zurückhaltung im deutschsprachigen Raum. Am 8. Dezember 1854 verkündet Papst Pius IX. in der Bulle „Ineffabilis Deus“ Folgendes: „Die Lehre, dass die allerseligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis aufgrund einer besonderen Gnade und Auszeichnung von seiten des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, vor jedem Makel der Erbsünde bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und muss deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft geglaubt werden“.
Damit hat Papst Pius IX. unter breiter Zustimmung des Episkopats und der Gläubigen die Entwicklung dieser Glaubenslehre zum Abschluss gebracht und gesamtkirchlich eine verbindliche Glaubensaussage vorgelegt. Bedeutsam ist diese Glaubenslehre auch für das Verständnis der Erwählung und Gnade für die Verwirklichung der menschlichen Freiheit. Die geschaffene Freiheit wird durch die gnadenhafte Vorherbestimmung zum Heil nicht eingeschränkt, sondern zu ihrem eigenen Vollzug motiviert.
Das Zweite Vatikanische Konzil nimmt die Glaubenslehre von 1854 auf und sieht Maria „vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer einzigartigen Heiligkeit“ (Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, 56). Neben dem adamitischen Bezug unterstreichen die Konzilsväter auch die Verbindung der Gottesmutter mit Christus und der Kirche: Maria ist „mit allen erlösungsbedürftigen Menschen in der Nachkommenschaft Adams verbunden“.
Aber sie ist „im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere Weise erlöst und mit ihm in enger und unauflöslicher Verbindung geeint“. Wurde sie doch mit der „höchsten Aufgabe und Würde beschenkt, die Mutter des Sohnes Gottes und daher die bevorzugt geliebte Tochter des Vaters und das Heiligtum des Heiligen Geistes zu sein“. Maria wird „auch als überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche wie auch als ihr Typus und klarstes Urbild“ (Lumen Gentium, 53) angesehen.
Der Autor ist Domkapitular im Bistum Regensburg. Von 2003 bis 2022 war er Professor für Fundamentaltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten.
Erstveröffentlichung: Die Tagespost
Weitere Informationen zur „Wundertätigen Medaille“
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