16. Dezember 2017

Besinnung im Advent – Gebete für alle, die sich um sichere Arbeitsplätze sorgen, nicht nur bei Siemens

„O Heiland, reiß die Himmel auf“, mit Improvisationen von Kirchenmusikdirektor Reinhard Seeliger an der Orgel der Görlitzer Frauenkirche, beginnt am gestrigen Abend der ökumenische Gottesdienst. Er steht unter dem Thema: „Besinnung im Advent – Gebete für alle, die sich um sichere Arbeitsplätze sorgen“. Die Kirchen sind solidarisch mit den Menschen, die in Görlitz möglicherweise ihre Arbeitsplätze verlieren werden.

…reiß ab vom Himmel Tor und Tür,
reiß ab, wo Schloss und Riegel für.

„Durch diese Adventszeit hindurch und auf dem Weg zum Christfest begleitet uns in Görlitz die Sorge der Vielen um ihren Arbeitsplatz und ihr Bleiben in dieser Stadt. Bei Protestkundgebungen ist sie laut geworden, durch eine Menschenkette haben wir sie unterstrichen, so viele haben ihre Stimme erhoben und gesagt: Das darf doch nicht wahr sein, das darf doch nicht wahr werden, dass das Görlitzer Siemens-Werk mit seinen 960 Arbeitsplätzen geschlossen wird und dass 1200 Stellen im Görlitzer Bombardier-Werk von Streichung bedroht sind. Es darf doch nicht sein, dass zukunftsfähige Standorte so bedroht werden“, mit diesen Worten beginnt der Pfarrer der evangelischen Innenstadtgemeinde, Hans-Wilhelm Pietz diese Besinnung. Er fügt an: „Und es ist gut, dass in diesen Wochen kluge Argumente und dass ganz weltoffene und zugleich heimatverbundene Menschen darauf hinweisen, dass es hier nicht nur um den Wert und die Höhe von Gewinnen gehen darf, sondern dass die Würde der Arbeit und die Würde der Menschen zu stärken sind. Hier in der Frauenkirche wollen wir heute Abend von solcher Würde singen und sagen. Wir Christen glauben ja, dass Gott uns gerade im Gestalten und Bewahren dieser Welt zu seinen Mitarbeitern gemacht hat. Und wir glauben, dass seine Güte uns die Kraft der Hoffnung gibt, die keinen und keine aufgibt. Wenn wir hier innehalten und beten, dann wird das unvergleichlich stark und spürbar“. Gemeinsam mit Pfarrer Pietz hat Norbert Joklitschke, der Pfarrer der Pfarrei Heiliger Wenzel die Stunde der Besinnung vorbereitet. Er sagt: „Deshalb ist es gut, heut Abend zusammenzukommen, um gemeinsam zu beten und darin Mut zu fassen. Wir glauben daran, dass Gottes Geist unter uns wirken kann, wenn wir uns ihm innerlich öffnen. Es möge gut tun und uns stärken, sich gemeinsam zu besinnen und darin Kraft schöpfen. Getragen von der Hoffnung auf den Schöpfer des Himmels und der Erde ist uns das Schaffen und Wirken der Menschen in unserer Stadt ein wichtiges Anliegen. Wir laden ausdrücklich auch diejenigen ein, die mit Bibel und Glaube, mit Kirche und Gebet ansonsten wenig anfangen können, sich unserem gemeinsamen Tun innerlich anzuschließen“. Einige der Angesprochenen sind unter den etwa 200 Gottesdienstbesuchern. Dabei sollen sich „die Herzen öffnen und Gedanken und Ideen Gottes ihren Weg finden. Dass es ein Öffnen scheinbar schon abgeschlossener Überlegungen geben möge, ein Aufreißen hin zu neuen Gedanken, darum wollen wir bitten. Schon der Prophet Jesaja hatte gesungen: „Tauet, ihr Himmel, von oben, und die Wolken mögen den Gerechten regnen: es öffne sich die Erde, und sie sprieße den Heiland“

Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?

Pfarrer Pietz fährt fort:    Die Siemens-Mitarbeiter aus Görlitz haben auf ihre Situation in den vergangenen Wochen mit dem Schlagen der  aus Fässern gebauten Trommeln aufmerksam gemacht. Die Trommel ist in der Bibel das Instrument, das überwundene Furcht und überwundene Bedrückung anzeigt. So schlägt Mirjam die Trommel, die Pauke: 2. Mose 15,20. Und in einem verwegenen Freiheits-Gedicht hat Heinrich Heine gerufen: Schlage die Trommel und fürchte dich nicht. Und Maria Gräfin von Maltzahn, die in Militsch geborene Christin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, hat ihre Autobiographie so überschrieben: Schlage die Trommel und fürchte dich nicht. Ein ungewöhnlicher, ein starker Adventsruf! Wir denken jetzt an diese Erfahrungen, lassen Trommeln erklingen – und hören zu ihrem Klang Worte des 70. Psalms.“

Diese Botschaft bringen Heinz Müller von ars augusta e.V. mit seiner Trommel und Moritz Manuel Michel durch das Rezitieren dieses Psalms nahe:

„Eile, Gott, mich zu erretten,

Herr, mir zu helfen!

Es sollen sich schämen und zuschanden werden, die mir nach dem Leben trachten; sie sollen zurückweichen und zum Spott werden, die mir mein Unglück gönnen.“

O komm, ach komm vom höchsten Saal,
komm, tröst uns hier im Jammertal.

Es folgen Gebete von Betroffenen und Familienangehörigen in der konkreten Situation: Sorgen, Befürchtungen, Ausblicke – Gebete von Betroffenen – aus ganz unterschiedlichen Erfahrungsbereichen. Pfarrer Joklitschke leitet zu den Gebeten über: „Lasst uns Sorgen und Befürchtungen, all das, was uns bewegt anhören von und innerlich aufnehmen. Es sprechen zu uns Menschen, die unmittelbar betroffen sind von den Plänen zur Schließung des wichtigen Görlitzer Arbeitsortes der Firma Siemens. Ihre konkrete Situation steht für viele auch stellvertretend.“

Ach komm, führ uns mit starker Hand
vom Elend zu dem Vaterland.

Eine der Fürbitten lautet: „Unser Gott, wir bitten dich um Zuversicht und Mut für alle Menschen hier in der Region. Wir bitten dich für die Verantwortlichen um die Einsicht, dass sie Verantwortung tragen für Menschen, die Ihre Kraft und Energie hier am Ort in guter Arbeit eingebracht haben und weiter einbringen wollen.  Lass uns nicht verbittern, sondern füreinander einstehen bei allem, was uns Sorge macht.“

Es folgen zwei Ansprachen. Bischof Wolfgang Ipolt sagte darin unter anderem: „Der Plan, ein so wichtiges und ertragreiches Unternehmen zu schließen, kann uns nicht gleichgültig lassen – weil wir miteinander in dieser Stadt leben.“ Der Bischof verweist auf Hildegard Burjan, die im Jahre 1883 in Görlitz geboren wurde und „der die soziale Frage ihrer Zeit auf den Nägeln brannte“ Sie wurde 2012 selig gesprochen und nach der auch in unserer Stadt ein Platz benannt ist“. Die Ansprache im Wortlaut ist hier.

„Warum engagiert Ihr von der Kirche Euch für die Siemenswerker, wurde ich in den letzten Tagen gefragt“, sagt Generalsuperintendent Martin Herche.  „Die Antwort ist ganz einfach: weil es uns nicht egal ist, wenn sich Menschen, mit denen wir zusammenleben, Sorgen um ihre Zukunft machen. Und dann sage ich immer: Und vergesst auch die nicht, die bei Bombardier arbeiten. Schon in der Bibel kann man lernen: die Arbeit ist ein Zeichen der Bedeutsamkeit und Würde des Menschen. Die Ansprache im Wortlaut ist hier.

Pfarrer Burghard Behr, Leiter des Zentrums für Dialog und Wandel in der Lausitz (EKBO), und Christian Heinke, Betriebsratsvorsitzender des Siemens-Turbinenwerks in Görlitz äußerten sich danach zur derzeitigen Situation in der Region, speziell bei Siemens. Nach Aussage von Hainke soll es im Januar Gespräche zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, zur Zukunft der Kraftwerkssparte von Siemens in Görlitz, geben.

Mit dem Gebet des Vaterunser und dem Segen werden die Menschen „in die Stadt, in die Adventszeit, zum Weihnachtsfest hin“ gesendet:

„Geht nun in diesen Abend und zum dritten Advent und auf das Christfest zu mit wachen Augen und offenen Herzen: Dass wir wahrnehmen: Wir sind nicht allein.

Geht mit dem weihnachtichen Ruf, der die Angst überwindet und Kraft gibt für die nötigen Schritte. Geht mit dem Ruf, mit dem einst die Hirten aufbrachen: Fürchtet euch nicht!

Geht und folgt dem Stern unserer Hoffnung, der uns hinführt zu dem, der uns an Weihnachten entgegenkommt.

Geht mit der Erfahrung der Gläubigen aller Zeiten im Herzen, dass der Herr diejenigen hört, die in der Not zu schreien, dass er antwortet, auch wenn er sich verborgen hält und dass wir unser Haupt erheben können, auch wenn noch die Last auf unseren Schultern drückt.“

 

 

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