Der 16. Oktober ist das Fest der Heiligen Hedwig von Schlesien. Sie ist die Bistumspatronin und, nach einigen Quellen ist sie auch die Patronin der Stadt Görlitz. Bischof Wolfgang Ipolt zelebrierte aus diesem Anlass am Abend ihres Namens-Tages ein Pontifikalamt in der Kathedrale St. Jakobus in Görlitz. Daran schloss sich ein öffentlicher Vortrag im Schlesischen Museum an. Der frühere Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Prof. Dr. Georg Milbradt sprach zum Thema: „Christ als Politiker in einer säkularen Situation“. Bischof Ipolt sagte zur Begrüßung: „Dass wir bewusst in den öffentlichen Raum gehen mit diesem Empfang hat mit dem Anlass und dem Referenten zu tun“. Der Bischof erinnerte daran, dass Milbradt bis 2008 Ministerpräsident und damit „Christ als Politiker in einer säkularen Welt“, war. Der Bischof dankte dem im Saal anwesenden Direktor des Schlesischen Museums, Dr. Markus Bauer, dafür, dass er die Räume für den Hedwigs-Empfang zur Verfügung gestellt hat.
Am Anfang seines über eine Stunde dauernden Vortrages vor etwa 60 Gästen verwies der Referent zunächst darauf, dass er als Ökonom, nicht als Theologe, spricht. Christen seinen hierzulande mit unter 25 Prozent in der Minderheit. Die Frage stand 1990, wie sie heute ebenso steht: „Wie können wir aus dieser Position Politik machen?“ Zumal, wenn christliche Werte und Moralvorstellungen von der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr geteilt würden. „Wir als Christen können das Evangelium als Richtschnur sehen, aber niemanden zwingen, dies ebenso zu sehen“. Dennoch, in der Gesellschaft sei eine „christliche Prägung enthalten, auch für Wertvorstellungen und Menschenrechte“. Dies ließe sich beispielsweise am sozialen Engagement ablesen. Zur Trennung von Kirche und Staat sagte er, sie sollten sich so verhalten, wie in der Geschichte mit der römischen Steuermünze, an der Jesus klarmachte: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber Gott, was Gottes ist. Der Staat sei „bürokratisch, kalt – er muss kalt sein“, vom Grundsatz her nicht persönlich, nicht menschlich. „Nächstenliebe ist immer etwas Persönliches“. Wir bräuchten beides, den Staat und seine Macht – und die Kirchen. Und es gäbe ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Jedoch: „Politik will den Kirchen nicht die Verkündigungsaufgabe abnehmen, das ist ihre Sache“. Milbradt plädierte für Ökumene: „Nur wenn die beiden Kirchen zusammenstehen, haben sie eine kraftvolle Stimme in der Gesellschaft“. Kirchen können „Werte schaffen, die der Staat nie schaffen kann“, sagt er. Sein Blick in Richtung Zukunft sieht so aus: „Heutige gute Lösungen sind möglicherweise morgen nicht mehr gute Lösungen – wir leben von Veränderungen. Davor werden wir unsere Kinder nicht beschützten können“. Der ehemalige Ministerpräsident benannte Themenfelder, in denen er besondere Herausforderungen sieht: Bei der älter werdenden Bevölkerung und den Migranten, die in großer Zahl nach Deutschland und Europa kommen. Dabei verwies er darauf, dass es nicht sein kann, dass von 28 europäischen Staaten nur drei gewillt sind, Flüchtlinge aufzunehmen: Deutschland, Schweden und Österreich zählt er auf. „Und die anderen machen sich schlanke Füße“, sagte er. Weiterhin sei der technische Fortschritt eine Herausforderung der Zukunft, beispielsweise intelligente Roboter. Dies sei unter anderem hinsichtlich des Arbeitsmarktes bedenkenswert, wie die Globalisierung und der weltweite Wettbewerb: „Da helfen keine Mauern und kein Mindestlohn“. Die Frage nach der globalen gesellschaftlichen Solidarität habe sich früher nicht gestellt und müsse neu definiert werden. Telekommunikation, Datensicherheit, gläserner Mensch, die Rolle der Familien.
In der anschließenden Diskussion kam das Thema Flüchtlingsbewegungen und das geeinte, bröckelnde Europa auf. Milbradt sprach davon, dass man Europa nicht als „Schönwettergesellschaft“ ansehen darf und wenn es stürmt rennt man davon. Er habe gelernt, dass zum Staat drei Dinge gehören: Das Staatsvolk, das Staatsgebiet, und die Macht. Grenzen müssen durchgesetzt werden, entweder als europäische oder als Landesgrenzen. Abschließend appellierte er: „Ein neuer Wertekanon muss her“.
Bischof Ipolt dankte dem Referenten und schenkte ihm eine der frisch gepressten Orgel-CD, auf der Diözesankirchenmusikdirektor Thomas Seyda an der Eule-Orgel der Kathedrale St. Jakobus Musikstücke von Komponisten spielt, wie Johann-Sebastian Bach, aber auch weniger bekannten Komponisten. Ordinariatsrat Markus Kurzweil, der als Seelsorgeamtsleiter mit seinem Team diesen Empfang vorbereitet hatte, lud zu „Sekt, Saft, Wasser und Schlesischen Brezeln, nach altem Hedwigs-Rezept“ ein. Die Gelegenheit, miteinander, mit dem Bischof und dem Referenten ins Gespräch zu kommen, wurde umfänglich wahrgenommen.
Hintergrundinformationen:
Hedwig wurde 1174 in Andechs/Bayern geboren. Nach ihrer Erziehung im Benediktinerinnenkloster Kitzingen wurde sie mit zwölf Jahren mit Heinrich I. von Schlesien verheiratet. In ihrer neuen Heimat Schlesien würde das Leben der Herzogin heute am ehesten als das einer Sozialpolitikerin bezeichnet werden. Hedwig diente hingebungsvoll Armen und Kranken, gründete Frauenklöster, unterstützte verschiedene Orden bei der Gründung von Niederlassungen. Sie beförderte damit Bildung, denn an Klöstern waren zumeist Schulen angeschlossen.
Nach dem Tod ihres Mannes zog sich die Herzogin zu den Zisterzienserinnen in Trebnitz zurück. Dort starb sie 1243 und wurde bereits 1267 durch Papst Clemens IV. heiliggesprochen. Ihr Leben war geprägt von tiefer Liebe zu Gott und den Menschen, und ihr Lebenswerk von ihrem caritativen und sozialen Wirken für Arme, Kranke und Waisen. Die Heilige setzte sich für ein friedliches Zusammenleben und die Verständigung von Deutschen und Polen in ihrer schlesischen Heimat ein. Deshalb wird sie von beiden Völkern gleichermaßen verehrt und kann als Heilige der Völkerverständigung angesehen werden.
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