13. September 2018

Anständiger in schwieriger Zeit – Gedenktafel für Pfarrer Franz Scholz in Zgorzelec enthüllt.

Einige der Beton-Zaunsäulen stehen noch auf dem Gebiet des ehemaligen Gefangenenlager Stalag VIII A in Zgorzelec, Ortteil Moys. Dort befindet sich seit einigen Jahren das „Europäische Zentrum Erinnerung, Bildung, Kultur“. In dessen Räumen wurde am 7. August in einer Gedenkfeier an den ehemaligen Pfarrer von St. Bonifatius, Franz Scholz gedacht. Noch immer verbindet Stacheldraht die Säulen untereinander. Kriegsgefangenen vieler Nationen, unter ihnen Polen, Franzosen, Belgier, Slowaken, Jugoslawen, Sowjets, Italiener, US-Amerikaner und Briten waren dahinter untergebracht. Etwa 10 000 von ihnen starben in Folge von Krankheiten, Hunger, Erschöpfung und unmenschlicher Bedingungen der Zwangsarbeit. Inmitten dieses Elends bewegt sich Pfarrer Franz Scholz. Er zelebriert Heilige Messen, hört Beichte; er nimmt sich des Elends und Leids der Gefangengenen an. Mit einigen seiner Aktivitäten, riskiert er, selbst in einem Lager zu landen und jung zu sterben. Doch gestorben ist der 1909 in Breslau geborene Franz Scholz erst viele Jahre später, nach einem erfüllten Leben, im Jahr 1998 in Dieburg bei Darmstadt, als emeritierterter, promovierter und habilitierter Professor für Moraltheologie, Prälat, Monsignore.

1934 in Breslau zum Priester geweiht, war er von 1940-45 Kuratus in Görlitz, St. Bonifatius und Seelsorger im Kriegsgefangenenlager. Von 1945-49 war er Flüchtlingsseelsorger, von 1946-49 Caritasdirektor in Cottbus, im westlich der Neiße gelegenen Bistumsteil des Erzbistums Breslau. Seit 1949 lebte er im Westen Deutschlands. „Wir sind heute an einem denkwürdigen Ort zusammengekommen, um hier einen Mann zu ehren, der in schweren politischen Jahren, in der heutigen Europastadt Görlitz-Zgorzelec, darum bemüht war, Menschen in Not, ungeachtet deren Herkunft, Sprache oder Volkszugehörigkeit, als Mensch und Priester zur Seite zu stehen“, sagte Prälat Peter C. Birkner zu Beginn seines Vortrages über den Priester Franz Scholz (im Wortlaut s. u.). Prälat Birkner lernte ihn in Königsstein/Taunus flüchtig kennen, als er dort studierte und bei Scholz ministrierte. 1974, achtzehn Jahre später, „zog mich nach einem Gottesdienst in der St. Jakobus-Kirche in Görlitz ein Mann der Gemeinde beiseite, zeigte mir eine Broschüre, und ich las den Titel: ,Scholz GÖRLITZER TAGEBUCH 1945/46‘. Im Bewusstsein, hier staatlich verbotene Literatur in der Hand zu haben, war das Interesse am Inhalt dieses Buches umso größer, je mehr ich merkte, dass unser Dozent für Moraltheologie in Königstein der Verfasser war“, sagte Birkner. Dass das Tagebuch von Pfarrer Scholz in der DDR nicht zur Schulliteratur gehörte, zeigt folgender Auszug vom 3. Juni 1945: „Inzwischen konzentrierten sich Plünderungen durch die Soldaten auf die Flüchtlinge in den Anlagen und auf die Massen, die vor dem Rathaus warten. Die Russen reiten mit Vorliebe schnell durch die Menge und schlagen mit Reitpeitschen. Indes werden unsere Fronleichnamsaltäre um die Kirche herum wie einst aufgebaut. Der schönste, diesmal unter unserem Kreuze, das wir Kreuzerhöhung 1943 zur Sühne für die Frevel Hitlers in Polen errichtet haben…“.

An diesem Kreuz beten die Gäste nach der Feierstunde und weitere Einwohner der Europastadt, die hinzugekommen sind, bevor sie sich in
einer Prozession an die Czachowskiego-Strasse 7 begeben, dem früheren Pfarrhaus von St. Bonifatius. Dort wird eine Gedenktafel für Pfarrer
Scholz im Beisein des Bischofs von Legnica/Liegnitz, Zbigniew Kiernikowski, Bischof Wolfgang Ipolt, der Bürgermeister der Städte Zgorzelec und Görlitz, die Grußworte sprachen, sowie einigen hundert Priestern und Gläubigen beider Städte enthüllt.

Nur wer sich erinnert, kann aktiv werden.

„Es ist ein sehr emotionaler Moment und ich bin überrascht und erfreut, dass sich so viele Menschen für meinen Onkel interessieren und gekommen sind“, sagt Neffe Josef Bonifatius Scholz. Er ist dankbar, dass „so viel über das Erinnern gesprochen wurde – das halte ich für sehr wichtig Denn nur, wenn ich mich erinnere, kann ich aktiv werden“. Seine Frau Marianna Scholz hat den Onkel ihres Mannes „noch als alten Herrn kennengelernt, kurz vor unserer Hochzeit. Er was so herzlich und ich bin heute noch bewegt von den Begegnungen mit ihm. Einmal hat er mich zu einem Bild geführt, das heißt: Kreuz in der Ostersonne. Indirektes Licht fällt auf das Kreuz und soll Auferstehung symbolisieren. Er hat mir erzählt, dass ihn dieses Bild während des Krieges, als Postkarte, begleitet hat. Und immer, wenn er nicht mehr gewusst hat, wo er die Kraft hernehmen soll, hat er von diesem Bild her – in der Beziehung zu Jesus Christus – Kraft erhalten und die Zuversicht, es geht weiter“. Ein besonders bewegender Moment war für sie „vor diesem Haus zu stehen, in dem er gelebt hat. Michaela Brauburger ist die Großnichte von Pfarrer Scholz. Sie sagt: „Er war ein Naturliebhaber, er liebte Tiere, vor allem aber die Menschen. Besuche bei ihm waren immer etwas Außergewöhnliches. Etwas ganz Besonderes war die Taufe meiner Tochter durch Onkel Franz. Diese jüngere Spur seines Handelns finde ich hier wieder in dem Kreuz vor der Bonifatius-Kirche, einer Spur von damals. Auch der Aspekt in der Anrede: ,der Anständige in schwierigen Zeiten‘. Als Anständigen habe ich ihn immer empfunden, das passt. Es waren dann nicht mehr die schwierigen Zeiten, aber ich würde ihn so titulieren. Er war ein charismtischer Mensch, der viel Gutes für unsere Familie getan hat. Er war immer eine moralische Instanz“.

(Dieser Beitrag ist entnommen aus der katholischen Wochenzeitung TAG DES HERRN, Ausgabe Nr. 37 vom 16. September 2018)

In seinem Grußwort, das Bischof Wolfgang Ipolt vor der Enthüllung der Gedenktafel in Zgorzelec sprach, dankte er zunächst allen,  die sich um diese heutige Ehrung von Pfarrer Scholz gemüht haben. Er sagte unter anderem: „Diese heutige Ehrung für diesen Brückenbauer zwischen Menschen verschiedener Nationalitäten in einer schwierigen Zeit ist ein Zeichen dafür, dass sich unsere Stadt seit 1945 sehr verändert hat: die Brücken über die Neiße sind keine Grenze mehr, sie verbinden heute die beiden Teile der Europastadt. Dadurch sind sich auch die Menschen näher gekommen und es hat sich zwischen Polen und Deutschen viel verändert.“

Die Initiative zur Ehrung des „letzten Pfarrers  von St. Bonifatius in Görlitz und des ersten von St. Bonifatius in Zgorzelec – Dr. Franz Scholz“, wie es der stellvertretenden Bürgermeister von Zgorzelec, vor der Gedenktafel sagte, ging von der Pfarrei St. Bonifatius und der Stadt Zgorzelec, sowie des „Europäische Zentrum Erinnerung, Bildung, Kultur“ im ehemaligen Gefangenenlager Stalag VIII A aus.

Bischof Ipolt ist überzeugt: „Das Werk der Versöhnung ist auf einem guten Weg und der heutige Tag ist eine schöne Frucht dieser Versöhnung.“ Am Ende seines Grußwortes sagte der Bischof: „Dieser heutige Tag und die festliche Erinnerung an den 20. Todestag (+ 01.09.1998) von Prälat Prof. Dr. Franz Scholz, ist ein weiterer Baustein für dieses neue Europa mit seinen christlichen Wurzeln. Dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen.“

Die vollständige Rede von Prälat Peter C. Birkner im Wortlaut.

Die Sächsische Zeitung widmete der Ehrung eine volle Seite.

Beitrag im TAG DES HERRN

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