8. Januar 2021

Wort des Bischofs zum Neuen Jahr richtet sich vor allem an Nichtchristen

Der Neujahrsempfang des Bischofs fällt wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in diesem Jahr aus. Deshalb hat sich Bischof Wolfgang Ipolt entschlossen ein Wort zu Beginn des neuen Jahres an die säkulare Öffentlichkeit zu richten. Diese Ansprache wird durch Lausitzwelle, das Lokalfernsehen von Hoyerswerda  ausgestrahlt, das einen großen Teil des Bistums Görlitz erreicht. Die Zielgruppe dieser Ansprache sind nicht zuerst die Christen, sondern nichtchristliche, interessierte Zuhörer, die sich für eine Botschaft aus der Sicht des Glaubens öffnen.

Der Beitrag lief erstmals am Samstag 9. Januar 2020, etwa ab 18:55 Uhr – und wird (vorerst jeweils nach vier Stunden) wiederholt.

Hier    ist der Beitrag ebenfalls zu sehen.

Wort zum Neuen Jahr 2021
von Bischof Wolfgang Ipolt, Görlitz

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Mitmenschen aus der Oberlausitz und dem Spreewald,

Neujahrsempfänge fallen in diesem Jahr meist aus. Ein solcher Empfang ist ein üblicher Brauch bei vielen Institutionen und Dienstleistern, die es mit Menschen zu tun haben. So auch bei den Kirchen. Jedes Jahr habe ich bisher im Januar Menschen, mit denen ich als katholischer Bischof und wir als Bistum Görlitz auf verschiedene Weise verbunden sind, zu einer Begegnung nach Görlitz eingeladen.
Das ist in diesem Jahr aus bekannten Gründen nicht möglich. Ich dachte bei mir: Könnte das nicht auch eine Chance sein, einmal Menschen zu erreichen, die nie zu einem solchen Empfang eingeladen werden? Könnte der Verzicht, der uns jetzt in vieler Hinsicht auferlegt ist, nicht auch neue Möglichkeiten bieten? Ich habe mich darum entschlossen, heute ein Wort zum Neuen Jahr an Sie zu richten, die Sie jetzt zuschauen oder zuhören.

Ein solches Unterfangen ist nicht leichter, sondern eher schwerer. Denn wir sind uns wahrscheinlich bis auf wenige Ausnahmen noch nie begegnet. Ich weiß also nicht so genau, was Sie am Beginn dieses Jahres 2021 bewegt. Ich kann es nur ahnen. Aber ich wage es trotzdem, mit Ihnen an diesen ersten Tagen des Jahres gemeinsam nach einer Richtung zu suchen für dieses Jahr. Denn: Einfach so durch dieses Jahr „stolpern“ – oder gar nur mit Angst und Sorge hineingehen – das sollten wir nun doch nicht.
Ich möchte Ihnen gern einen Weg zeigen, wie auch dieses Jahr eine gefüllte Zeit werden kann, eine Zeit, die wir mitgestalten und bereichern dürfen.
Gerade jetzt, wo die letzten Wochen besonders in unserer Region von einem verstärkten Ausbruch von Covid 19 geprägt waren und wir Weihnachten und Silvester nur sehr bescheiden feiern konnten, ist es mir ein Anliegen, nach vorn zu schauen und Sie zu Zuversicht und Hoffnung zu ermutigen.

Ich möchte meine Gedanken mit einem Märchen der Gebrüder Grimm beginnen. Sie wissen: In den Märchen stecken wichtige Wahrheiten auch für uns Erwachsene über unser Leben, auch über die Sehnsucht, die uns Menschen antreibt und bewegt. Das kurze Märchen, das ich Ihnen jetzt vorlese, trägt die Überschrift: „Der goldene Schlüssel“.

Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, musste ein armer Junge hinausgehen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zusammengesucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er so erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, sondern erst Feuer anmachen und sich ein bisschen wärmen. Da scharrte er den Schnee weg, und wie er so den Erdboden aufräumte, fand er einen kleinen goldenen Schlüssel. Nun glaubte er, wo der Schlüssel wäre, müsste auch das Schloss dazu sein, grub in der Erde und fand ein eisernes Kästchen. „Wenn der Schlüssel nur passt!“ dachte er, „es sind gewiss kostbare Sachen in dem Kästchen.“ Er suchte, aber es war kein Schlüsselloch da, endlich entdeckte er eins, aber so klein, dass man es kaum sehen konnte. Er probierte und der Schlüssel passte glücklich. Da drehte er einmal herum, und nun müssen wir warten, bis er vollends aufgeschlossen und den Deckel aufgemacht hat, dann werden wir erfahren, was für wunderbare Sachen in dem Kästchen lagen.

Soweit das Märchen der Gebrüder Grimm. Ich habe es ausgewählt, weil es uns helfen kann, dieses Jahr in einem bestimmten Licht zu sehen. Die kommenden zwölf Monate sind wie das Kästchen, das der arme Junge gefunden hat. Was in dieser Zeit auf uns zukommen wird, das wissen wir noch nicht. Denken Sie nur an den Beginn des Jahres 2020 zurück – niemand hat damals etwas geahnt, dass eine Pandemie über die ganze Erde kommen wird. Niemand hat aber auch geahnt, wie selbst durch eine solche Krankheit, durch die Notlagen und Einschränkungen, auch durch manchen Verzicht die Menschheit enger zusammenwächst und bereiter wird, als Weltgemeinschaft zu handeln und derzeit bemüht ist, den Impfstoff wirklich gerecht zu verteilen und dabei die ärmeren Länder nicht zu vergessen. Für alle Hilfsbereitschaft und Solidarität im zurückliegenden Jahr dürfen wir aus ganzem Herzen dankbar sein. Wir haben wirklich erfahren, dass wir als ganze Menschheit in einem Boot sitzen.
Was sich in dem „Kästchen“ für dieses Jahr befindet, wissen wir noch nicht. Ich meine, das ist gut so und kann uns helfen, jeden Tag Schritt für Schritt zu leben und anzunehmen. Das Märchen endete ja mit dem Satz: „…und nun müssen wir warten, bis er vollends aufgeschlossen und den Deckel aufgemacht hat, dann werden wir erfahren, was für wunderbare Sachen in dem Kästchen lagen.“ Der arme Junge hatte aber beim Holzsammeln einen goldenen Schlüssel gefunden, der zu dem Kästchen passte. Diesem Bild müssen wir noch ein wenig nachgehen.

Was könnte der „goldene Schlüssel“ sein, mit dem wir diesem neuen Jahr entgegen gehen, es langsam Tag für Tag gestalten und als Geschenk annehmen?
• Mir hat vor kurzem jemand eine Maske geschenkt, auf der der Satz steht: „Verunsicherung infiziert – Hoffnung auch!“ Hier ist von einer „Ansteckung“ besonderer Art die Rede, von einer Infektion, die wir selbst steuern können. Wir können sie steuern – zuerst in unseren Gedanken und dann auch in unseren Worten, die wir zu anderen sagen. Ich selbst bin jetzt dankbar für jedes Wort der Zuversicht und der Hoffnung, das mir jemand sagt. Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie sich gegenseitig immer wieder mit Hoffnung anstecken und so mancher Verunsicherung und auch panischer Angst Einhalt gebieten. Es ist dies ein wirkliches Werk der Nächstenliebe und eine Frage unserer Einstellung zum Leben. Hoffnung um sich zu verbreiten – das ist tatsächlich ein „goldener Schlüssel“, um Freude und Vertrauen wachsen zu lassen.
• Corona wird uns aller Voraussicht nach noch eine Zeitlang beschäftigen und uns Einschränkungen abverlangen, die der Eindämmung der Krankheit dienen. Vor allem das Unterbrechen der privaten Kontakte ist für die älteren und pflegebedürftigen Menschen schwer zu ertragen und führt bei vielen zu großer Einsamkeit und manchmal zu Depressionen.
Ich finde es darum nur gerecht, wenn diesen Menschen jetzt zuerst eine Impfung angeboten wird. Damit stellen wir die Schwächsten und Gefährdetsten wirklich in die erste Reihe unserer Gesellschaft und zeigen zugleich, was uns die ältere Generation wert ist.
Ich danke bei dieser Gelegenheit auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialstationen und in den Pflegeheimen. Bei aller professionellen Arbeit, die ihnen abverlangt wird, sind sie derzeit für viele ältere Leute manchmal die einzige Kontaktperson, die täglich vorbeikommt. Ich danke ihnen ganz besonders für jedes gute und tröstende Wort, das sie bei ihrer Arbeit den alten Menschen sagen und für alle Geduld, die sie aufbringen.
Impfung und professionelle Betreuung ist nur das Eine; wir alle haben viele Möglichkeiten gerade die Älteren nicht aus dem Blick zu verlieren. Sie sind ja meist immer – notgedrungen – in „Quarantäne“ – allein auf sich gestellt. Jedes Gespräch am Telefon ist darum eine Wohltat, die wir leicht einander schenken können. Das Gespräch mit denen, die wir nicht besuchen oder zu uns einladen können ist ein „goldener Schlüssel“, der mit Hoffnung ansteckt. Und dafür haben wir heute viele technische Mittel (nicht nur das Telefon), die wir nutzen sollten.
• Für mich als Christ ist auch das neue Jahr 2021 ein „Jahr des Herrn“, das heißt: ein Jahr, in dem ich Gott begegnen kann und er mir nahe ist. Wie Sie wissen, geht unsere Zeitrechnung auf die Geburt Christi zurück (das haben wir gerade an Weihnachten gefeiert) und wir zählen und berechnen unsere Jahre nach diesem Datum – „nach Christi Geburt“.
Ich würde mir wünschen, dass Sie den folgenden Gedanken nachvollziehen können: Ich muss jetzt oft an ein altes Sprichwort denken: „Gott kann auch auf krummen Zeilen gerade schreiben“. Das bedeutet so viel wie: Gott kann auch durch Schwierigkeiten, Unwegsamkeiten – und in unserem Fall – durch eine Pandemie uns Gutes zeigen und dazu ermutigen (ich sprach bereits davon). Gott kann uns wach rufen und an Wahrheiten erinnern, die wir allzu leicht vergessen: Diese Welt ist endlich, sie ist zerbrechlich und wir sind und bleiben sterbliche Menschen, selbst wenn wir diese Krankheit einmal besiegt haben. Daran hat z. B. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble schon vor längerer Zeit vor dem Parlament erinnert.
Das ist auch der tiefere Sinn, warum wir Christen (und auch andere Religionen) besonders in einer solchen Zeit den Gottesdienst und das Gebet in der Regel nicht unterbrechen. Es hat etwas mit der Hoffnung zu tun, aus der wir selbst Kraft schöpfen und mit der wir andere Menschen anstecken wollen. Wir vertrauen alle Menschen der Fürsorge Gottes an – dass ist unsere Form gläubiger Solidarität. Wenn ich als Christ vom „Leben“ spreche, dann meine ich immer mehr als Gesundheit, die wir jetzt so oft einander wünschen. Ich meine das Ziel eines Lebens, das Gott allein schenken kann und zu dem er jeden Menschen eingeladen hat. Ich glaube an ein ewiges Leben. Darum sind wir als Kirche jetzt vielleicht nicht „systemrelevant“, aber wir sind sehr wohl „lebensrelevant“ – Hilfe zum Bestehen dieser Zeit in einer Haltung der Hoffnung.
Mit Gott im Kontakt bleiben, das ist für einen gläubigen Menschen wie ein „goldener Schlüssel“, der Zuversicht und Vertrauen schenkt und der uns nicht ängstlich in dieses neue Jahr gehen lässt – was auch immer es uns bringen wird.

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, verehrte Damen und Herrn,

wagen Sie es doch einfach so zu sprechen, wie es die selige Hildegard Burjan, die in Görlitz geboren wurde, als junge Frau oft getan hat, als sie noch keine Christin war: „Gott, wenn es dich gibt, zeige dich mir!“
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass auch Sie Gott in dieser Zeit der Pandemie entdecken und ihm begegnen dürfen.
Dazu möchte ich jetzt Ihnen und Ihren Lieben und ganz besonders den Kranken und älteren Menschen, die jetzt zuschauen, seinen Segen, seine Nähe zusprechen.

Gott, unser Vater, der Quell und Ursprung alles Guten, gewähre euch seinen Segen und bewahre euch im neuen Jahr unversehrt an Leib und Seele. Er schenke euch unerschütterliche Hoffnung und die Geduld unbeirrbarer Liebe.
Das gewähre euch der dreieinige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

In diesem Sinn: Ein gesegnetes und gutes neues Jahr und: Bleiben Sie gut behütet!

Es gilt das gesprochene Wort!
02.01.2021

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