8. Mai 2020

Getrennt und doch vereint im Friedenswillen – Gedenken am 8. Mai – 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs

Kurz nach Mittag läuteten im Stadtgebiet von Görlitz die Glocken. Damit wurde an die Ereignisse vor 75 Jahren gedacht. Kurz danach kamen auf der Altstadtbrücke die Stadtoberhäupter der Europastadt Görlitz/Zgorzelec,  Octavian Ursu und Rafal Gronic, der  Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, Marschall der Wojewodschaft Niederschlesien Cezary Przybylski,  Bischof Wolfgang Ipolt, Generalsuperintendentin Theresa Rinecker und weitere Geistliche auf deutscher und polnischer Seite  zusammen. Getrennt durch einen Bauzaun und dennoch gemeinsam wollten sie in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec ein Zeichen für die Bedeutung des deutsch-polnischen Zusammenlebens setzen und  an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa denken. 75 weiße und 75 rote Rosen wurden in Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkrieges in den Grenzzaun, der gegenwärtig aufgrund der Corona-Pandemie errichtet wurde, gesteckt.

Musikalisch wurde das Gedenken von Olga Dribas am Klavier und Hartmut Schardt auf der Klarinette begleitet. In seiner Ansprache auf der Altstadtbrücke betonte Oberbürgermeister Octavian Ursu: „Auch in diesen schwierigen Zeiten gedenken wir gemeinsam. Was könnte mehr verdeutlichen, welcher Wandel sich in den vergangenen 75 Jahren vollzogen hat. Wir, Görlitzer und Zgorzelecer, sind längst Partner, ja Freunde, auch weil wir unsere Verantwortung für die Geschichte ernst genommen haben. Die europäische Perspektive bestimmt das Handeln bei uns in der Europastadt“.

 

Von der Altstadtbrücke ging es zum Städtischen Friedhof.  Dort sind 600 Opfer des Zweiten Weltkriegs begraben. Bischof Ipolt sagte an dieser Stelle in seiner Ansprache unter anderem:  „Versöhnung ist nur möglich, wo die Bereitschaft da ist, einen ersten Schritt zu gehen und auch eigenes Versagen einzugestehen. Insofern gehört für mich zu diesem 75. Gedenktag des Kriegsendes auch das Eingeständnis, dass auch unsere Vorgänger im Bischofsamt der katholischen Kirche sich nicht zu einem eindeutigen Nein zu diesem Krieg durchringen konnten und sich dadurch in gewisser Weise auch mitschuldig gemacht haben am Krieg. Aus heutiger Sicht können wir das Verhalten unserer Vorgänger nur schwer verstehen und es beschämt uns darum sehr. Insbesondere das Verhältnis von Staat und Kirche und der daraus erwachsenden Haltungen während der Zeit des Nationalsozialismus  kann aus theologischen Gründen keine Allgemeingültigkeit beanspruchen und muss aus heutiger Sicht kritisch hinterfragt werden.“ Der Bischof sagte weiter: „Dieser Tag ist ein Tag der Trauer und des stillen Gedenkens an alle Opfer dieses Krieges. Vor allem junge Menschen in den verschiedenen Armeen sind diesem Krieg zum Opfer gefallen. Überall in unserem Land und in Europa werden die Gräber der Kriegstoten in Ehren gehalten – so auch hier in unserer Stadt. Wir können nur ahnen, wie viele in den Schützengräben verzweifelt nach Gott gerufen haben, aber auch wie viele einsam und verzweifelt in den Tod gegangen sind. Neben dem Kranz, den wir heute hier zum Gedenken niederlegen werden, schließe ich mein Grußwort mit dem Wort, das Jesus angesichts des Todes seines Freundes Lazarus zu dessen Schwester Marta gesagt hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben auch wenn er stirbt und jeder der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Joh 11, 25)   Die vollständige Ansprache von Bischof Wolfgang Ipolt hier.

Generalsuperintendentin Theresa Rinecker ging in ihrer Ansprache auf die Herrnhuter Losung für den 8. Mai 2020 ein, in der es heißt: „Herr, lass mir deine Barmherzigkeit widerfahren, dass ich lebe.“ (Psalm 119,77). Dazu sagte die Generalsuperintendentin: „Auch heute  sind wir erinnert, wovon sich leben lässt. Von Barmherzigkeit und Anteilnahme. Nicht von verhärteten Zuschreibungen zu Volksidentitäten. Nicht von Rechthabereien und dem Anspruch mehr wert als andere zu sein“. Den Psalm 119,77 ergänzt sie mit den Worten: „Herr, stecke mich an mit deiner Barmherzigkeit, dass andere leben.“
Die vollständigee Ansprache von Generalsuperintendentin Rinecker ist hier nachzulesen.

 

Auch auf den Friedhöfen im Stadtteil Rauschwalde wurde am Nachmittag an die Opfer dieses Weltkrieges gedacht und Kränze und Blumen niedergelegt. Sowjetische Soldaten sind auf einem Friedhof begraben, nebenan: durch eine Mauer getrennt, sowjetische Zwangsarbeiter und dahinter, hinter einer Hecke, sind deutsche Soldaten begraben worden. Die meisten von ihnen waren kaum 20 Jahre alt. Bei der Sanierung der Friedhöfe wurde auf einem Grabfeld Tafeln mit Schriften angebracht, die vor neuen Kriegen warnen wollen, vor sinnlosem Sterben und Zerstörung von Werten, vor allem den menschlichen.

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